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Karl v. der Küste
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Artikel-Nr.: KARL


Achtung: Dieses Buch ist nicht für Kinder oder Jugendliche geeignet!

Karl Koch

„Big“ Karl Koch (geb. 1937 in Preetz), der Governor der Kieler „Küste“, zog
uns Gymnasiasten der Kieler Gelehrtenschule vor vierzig Jahren in
seinen Bann. Ein Hafenkellner mit der Figur eines Herkules, der sein
Kneipenpublikum mit Versen aus der Ilias unterhielt, ihnen Nietzsches
Übermenschen erklärte, und der wie Caruso singen konnte. „Der
zitiert Shakespeare auf Englisch, drückt einen einarmigen Handstand
auf der Theke und haut jeden weg, der sich mit ihm anlegt.“ Mit
niemand konnte man sich besser über Benchpress, über das Training
des Musculus Coracobrachialis, über Reg Park, Bill Pearl und Steve
Reeves, die unsterblichen Heroen des Kraftsportes, unterhalten als
mit „Mr. Southeast England“. Aber was heißt unterhalten? „Big“ Karl
unterhielt uns, inszenierte impromptu Happenings, machte uns
verlegen und stolz. Eine seltsame Faszination, der sich niemand
entziehen konnte, übte Karl Koch auf seine Gemeinde aus. Mit der
dunklen Seite der Menschen vertrauter als jeder Psychologe, war er
in der Lage, jedermann in den Bann zu ziehen, hinter seine Masken
zu schauen, mit traumhafter Sicherheit seinen Schwachpunkt zu
erkennen, ihn zu motivieren und zu manipulieren, zum Guten wie zum
Bösen. Heute denke ich, dass Karl mit ihnen seine Experimente
machte und die menschliche Psyche erforschte, mit der er zu spielen
verstand wie auf einem Musikinstrument.

Wenn eine körperliche Auseinandersetzung unvermeidbar war,
wandte sich der „Big“ Karl an seine Fangemeinde: „Wie soll ich ihn
weghauen?“ – „Gib ihm einen Ellenbogen”, hieß es dann z.B., und der
K.o. erfolgte mit großer und leidenschaftsloser Präzision durch eine
Ellbogentechnik, die er sich selbst aus einem Karate-Lehrbuch
beigebracht hatte. Karl war aber auch ein Eulenspiegel, ein Mulla
Nasreddin, der den Leuten einen Spiegel vorhielt und sie heilte, indem
er ihnen ihre Schwächen zeigte. Und er war ein „Practical Joker“, wie
ich nie einen kreativeren erlebte.
Hier veröffentliche ich Karls Lebenserinnerungen, den Rückblick eines
Küstenkellners und Bordellwirtschafters auf sein Wirken an der „Kieler
Küste“. „Glorifizieren“ wir hier das Leben eines Mannes aus dem
Rotlichtmilieu? Was macht einen Karl Koch salonfähig? Karl war vor
zwanzig Jahren nach eigenen Worten „ein harter, ziemlich
abgebrühter Hund“, aber er war nie kriminell, nachweislich nie
vorbestraft, und zu keiner Zeit ein Zuhälter. Der Gedanke, seine
Berufserinnerungen zu veröffentlichen, kam mir, nachdem ich das
erste deutsche Türsteher-Buch „Die Tür“ veröffentlicht hatte. Hatten
wir nicht auch in Deutschland harte Typen, deren Erfahrungen mit
menschlicher Aggressivität und Gewalt wir studieren können, ohne
uns selbst in dieses Milieu zu begeben, aus dem die wenigsten
unbeschadet wieder herausfinden? Ich erinnerte mich an meine
Schulzeit und fand einen völlig veränderten Karl vor. Seine Haare
sind nun grau, aber sein Geist ist noch klarer geworden. Seinen
Lebensunterhalt verdient er als Chirologe, also als jemand, der
„wissenschaftlich“ aus der Hand liest. Von wenigen Menschen kann ich
sagen, dass sie sich zum Positiven verändert haben, denn das geht
nur nach persönlichen „Schicksals“-Schlägen oder aufgrund von
intensiver Arbeit an sich selbst unter dem Einfluss höherer, uns
gemeinhin nicht zugänglicher Intelligenz. Karl hat eine Wandlung
durchgemacht. Nichts Negatives habe ich an ihm erkennen können.
Stattdessen Bescheidenheit, Selbsterkenntnis, Verständnis für
andere, Toleranz und Liebe zu allem, was lebt. All das verbunden mit
dem selbstlosen Wunsch zu helfen, die Menschen bewusster und die
Erde zu einem lebenswerteren Ort für alle zu machen. Karl half
Drogensüchtigen und brachte Zuhälter dazu „umzudenken“.

Lassen wir uns von der harten, milieuspezifischen Sprache dieser
Schilderungen nicht täuschen, sie ist nötig, um „Big“ Karls damalige
äußere und innere Situation wiederzugeben. Karl ist durch viele Feuer
gegangen und geläutert daraus hervorgekommen. Dass dennoch bei
den Schilderungen seiner Sekunden-Knockouts bei allem Verständnis
für seine damaligen Gegner und deren Beweggründe gelegentlich der
alte Schalk aufblitzt, will ich nicht verschweigen. Es soll dieses Buch
kein Entwicklungsroman des heutigen Menschen Karl Koch sein,
sondern nur sein Leben und seine Kämpfe „an der Küste“
beschreiben. Zu jeder Episode, zu jedem Kampf darauf hinzuweisen,
dass der heutige Karl darüber ganz anders denkt, hätte wie ein Alibi
geklungen und die Dokumentation geschwächt. Es gilt ja aufzuzeigen,
wie Menschen in der Identifikation mit ihrer Rolle denken und welche
Feindbilder sie haben. Aus Karls Geschichte geht hervor, dass er nicht
an die „Küste“ ging, weil er sich durch das Milieu dort angezogen
fühlte. Er wurde Kellner in Hafenlokalen, weil ihm bei seinen
anfänglich mangelnden deutschen Sprachkenntnissen sonst
einträgliche „ordentliche“ Berufe kaum offenstanden und weil er im
Kiez so viel mehr verdienen konnte. Als Governor der „Küste“, als
Grenzgänger zwischen Gut und Böse, als Fürst des Dunklen gelang
ihm der Blindsprung zur parallelen Welt. Die Bibel hat recht, denn nur
ein Saulus kann zum Paulus werden. „Big“ Karl Koch war nie ein „sehr
Böser“, aber ihm gelang die Transformation, der Sprung vom Keiler
zum Heiler.

Keith R. Kernspecht
Autor der Bestseller „Vom Zweikampf“
und „Angriff ist die beste Verteidigung“

Karl von der Küste
ISBN 3-927553-45-X
DIN A5, 320 Seiten, viele S/W-Fotos
 
 

SFr. 35.90
 
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